25.Sep.2020

Gewaltfrei kommunizieren - Unser GFK Trainer Oliver Mies im Interview

Welche Wirkung hat unsere Sprache auf unser Gegenüber? Und wie lassen sich Konflikte friedlich lösen?
Ein gesundes Miteinander bedeutet für uns von lichtfeld auch, einfühlsam zu kommunizieren. Deshalb legen wir besonders großen Wert darauf, dies gewaltfrei zu tun. Oliver Mies ist Trainer für gewaltfreie Kommunikation (kurz: Gfk) und unterstützt unser Team schon seit über einem Jahr. Gemeinsam lernen wir die Bedeutung unserer Worte kennen und uns klar auszudrücken. Wir hatten nun die Möglichkeit, Oliver einige Fragen zu diesem Thema stellen zu dürfen:

Was bedeutet gewaltfreie Kommunikation?

In meinen Augen ist die gewaltfreie Kommunikation eine vollkommen neue, fast schon radikale Sichtweise. Sie ist in jedem Fall anders zu dem, was wir in der Schule und von der Gesellschaft lernen. Es geht vor allem darum, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, das heißt für die eigenen Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse. In der Regel lernen wir aber das Gegenteil und machen vielmehr unser Gegenüber dafür verantwortlich, wie wir uns fühlen. Deshalb würde ich das definitiv als eine radikale Veränderung in der Denkweise bezeichnen. Die gewaltfreie Kommunikation ist also nicht nur als Modell zur Kommunikation, sondern als Modell zur Selbstreflexion zu verstehen. Auch das Menschenbild ist ein vollkommen anderes, denn es ist durch und durch positiv. In der GFK wird davon ausgegangen, dass jedes Verhalten durch eine positive Absicht motiviert ist, auch wenn das Ergebnis negative Konsequenzen haben mag. Das sind zwei Aspekte, die für mich bei der gewaltfreien Kommunikation auf jeden Fall im Vordergrund stehen. 
Jeder Mensch hat in seinem Leben bereits Erfahrungen gemacht, die ihn schmerzlich verletzt haben. Werden in einem selbst negative Gefühle nach einer Kommunikation ausgelöst, macht man häufig den Anderen dafür verantwortlich. Deshalb kategorisiert man andere Menschen auch als „böse“. In der GFK gilt es hier den entscheidenden Schritt zu machen und zu sagen: Obwohl mich mein Gegenüber scheinbar verletzt haben mag, bin ich mir sicher, dass seine Absichten positiv sind. Dies kann nur funktionieren, wenn man in die Selbstverantwortung geht. Man selbst muss zu der Erkenntnis kommen, dass er für die eigenen Empfindungen verantwortlich ist. Dies ist genau der Moment, in dem bei der GFK Widerstände auftauchen. Das ist vollkommen normal und auch wichtig. 

Wie ist die Idee entstanden, GFK-Trainer zu werden?

Bis ich diesen Weg eingeschlagen habe, hat es schon einige Zeit gebraucht. Tatsächlich habe ich nicht in der Grundschule gesessen und beschlossen „Ich möchte GFK-Trainer werden“, leider hat es mir auch niemand angeboten. (lacht) Es wäre echt schön gewesen, wenn ich schon damals einen ersten Kontakt zu dieser Thematik gehabt hätte. In meinem Fall war es eher ein Prozess und kein direkter Entschluss. Der Prozess war mit einem grundsätzlichen Interesse an der Funktionsweise des Menschen verbunden. Ich habe mir selbst die Frage gestellt, wie ich und auch andere Menschen funktionieren. Wieso ticken Menschen eigentlich wie sie ticken? Das war eine Frage, die mich immer schon beschäftigt hat. Die gewaltfreie Kommunikation war dann das Mittel für mich, um diese Dinge zu verstehen und auch, um mich selbst besser zu begreifen und zu verändern. Im Endeffekt würde ich sagen, dass der ausschlaggebende Punkt für mich der Wunsch danach war, Menschen zu helfen langfristig glücklicher zu werden. Diese Erkenntnis war bei mir aber nicht von Beginn an da, das brauchte schon seine Zeit. Zuerst habe ich Bücher zu diesem Thema gelesen und mich informiert, um das Ganze kognitiv zu verstehen. Erst später im Training kam bei mir dann der Aha-Moment. Das war eine Situation, die mich ganz besonders berührt hat. Ich habe gemerkt, dass hinter der gewaltfreien Kommunikation mehr steckt als man durch Bücher erfahren kann. 

Würdest du jedem Unternehmen empfehlen, seine Mitarbeiter in gewaltfreier Kommunikation zu coachen?

Grundlegend muss für die gewaltfreie Kommunikation eine Bereitschaft und Offenheit gegeben sein. Es ist nicht ausreichend jemandem nur davon zu erzählen. Es ist eine Entscheidung, die jeder bewusst für sich selbst treffen muss. 
Für Unternehmen bedeutet das also, dass es gewollt sein muss untereinander vertraut und verbunden zu sein. Es muss in Ordnung sein, sich verletzlich zu zeigen ohne dafür verurteilt zu werden. Dass ein Unternehmen und auch die Mitarbeiter dazu bereit sind, sind die ausschlaggebenden Faktoren, ob ich das Training in der GFK empfehlen würde, oder eben nicht. Ich kann niemanden zu dieser Haltung zwingen, ich kann höchstens dazu einladen. Letztendlich zeigt sich ohnehin erst im Training, ob es die richtige Entscheidung für die Firma gewesen ist. Und auch das ist ein Prozess der nicht innerhalb eines Tages abgeschlossen werden kann. Um die Frage also konkret zu beantworten: Ich glaube, dass GFK jedem Menschen nützlich sein kann, aber manchmal ist der richtige Zeitpunkt hierfür einfach noch nicht gegeben. Die Veränderung, die das Annehmen der Idee mit sich bringt, ist in einigen Situationen einfach zu groß. Wichtig ist, das dann auch zu akzeptieren. 
 

Welche Erkenntnis wünschst du dir von deinen Kunden?

Ich persönlich freue mich besonders darüber, wenn jemand diesen einen entscheidenden Schlüsselmoment erlebt und erkennt, dass er für sich selbst die Verantwortung tragen muss. Meistens ist dann auch die Bereitschaft dafür da, diese zu übernehmen. Mir geht echt das Herz auf wenn ich sehe, dass der Mensch GFK nicht nur kognitiv versteht, sondern wirklich erlebt und dass es einen entscheidenden Unterschied macht. Das berührt mich. Es ist toll zu sehen wie das Fokussieren auf Bedürfnisse, anstatt auf Strategien, umgesetzt wird. Also wenn echte, authentische Verbindungen zwischen Menschen entstehen, die zuvor vielleicht noch nicht existiert haben. Die Erkenntnis des Menschen, dass ein solcher Umgang untereinander tatsächlich möglich ist, das zu erleben, ist für mich als Trainer unbezahlbar. Das ist mein persönlicher Antrieb und lässt mich weitermachen. 

Wie würdest du die Kommunikation bei lichtfeld beschreiben?

Es ist schwer diese Frage konkret zu beantworten. Ich kann nur das zusammenfassen, was ich bei unseren bisherigen Trainings erfahren habe. Bei lichtfeld erlebe ich in den Seminaren eine Kommunikation, die durch Wertschätzung und Achtsamkeit geprägt ist. Gleichzeitig kann das aber auch zu Zurückhaltung führen. Die Sorge, nicht alles aussprechen zu können, damit sich niemand angegriffen fühlt ist etwas, das ich tatsächlich oft bei Unternehmen beobachten kann. Durch die große Wertschätzung gegenüber anderen, nimmt man sich langfristig betrachtet zurück. Das kann eventuell zu Schwierigkeiten führen. Dabei kommt die Wertschätzung ganz automatisch, wenn ich sie mir zuerst selber schenke. An dieser Stelle werde ich dann als GFK-Trainer aktiv. Die Kommunikation bei lichtfeld empfinde ich generell als sehr schön, mit viel Potential und vor allem einer Bereitschaft zur Weiterentwicklung.

Welchen Beitrag kann GFK für die Gesellschaft zukünftig leisten?

Meiner Meinung nach kann die gewaltfreie Kommunikation eine langfristige Veränderung in der Gesellschaft bewirken. Wenn jeder bei sich selbst beginnt und sein Verhalten reflektiert, kann er einen entscheidenden Einfluss auf die Kommunikation haben. Übernimmst du für dich selbst die Verantwortung, leistest du einen maßgeblichen Beitrag. So kann letztlich der Umgang untereinander und damit auch die Gesellschaft nicht nur verändert, sondern auch verbessert werden.

 

Herzlichen Dank Oliver für dieses aufschlussreiche und großartige Interview! 

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